Wenn wir den Namen eines bekannten Pigments wie Ultramarinblau oder Kobaltblau hören, haben wir sofort das Bild einer sehr spezifischen und konstanten Farbe im Kopf. Und warum auch nicht – es ist einfach, sich Pigmente so vorzustellen, als hätten sie Eigenschaften, die in verschiedenen Medien wie Acryl-, Öl- oder Aquarellfarben unverändert bleiben. Selbst wenn man die Tatsache mit berücksichtigt, dass sich die Verarbeitungseigenschaften oder die Pigmentladung verändert, bleibt doch mit Sicherheit die Farbe konstant, oder? In diesem Artikel erkunden wir die überraschende Antwort auf diese Frage und untersuchen einige der Möglichkeiten, wie sich die Farbe eines Pigments verändern kann, wenn es in verschiedenen Systemen verwendet wird.
Doch zunächst ein paar Hintergrundinformationen darüber, wie wir auf dieses Thema gekommen sind. Jedes Jahr ist Golden Artist Colors, zusammen mit anderen Herstellern, Mitveranstalter und Teilnehmer eines Materials Panels der College Art Association (CAA). Im letzten Jahr beschäftigte sich dieses unter dem Thema „Pigmente in Bindung“ mit der Auswirkung von verschiedenen Bindemitteln auf das Erscheinungsbild von Pigmenten. In Zusammenarbeit mit R&F Encaustics, Gamblin Artist Colors und Natural™ Pigments wurden mit den identischen Pigmenten von Ultramarinblau und Kobaltblau Proben in Eitempera, Aquarellfarbe, Kasein, Enkaustik, Acryl und Öl erstellt. Es wurden keine Füllstoffe verwendet, so dass die Interaktion von Pigment und Bindemittel allein so gut wie möglich gezeigt werden konnte. Diese wurden in ähnlicher Schichtdicke auf schwarzen und weißen Farbaufzugs-Karten verteilt und dann in Muster von 2“ x 3“ (5,08 x 7,62 cm) geschnitten und sorgfältig auf einer Schautafel zusammengestellt (Abbildung 1). Das Folgende ist eine Überarbeitung unserer Präsentation, die sich auf die Rolle der Pigmentladung für das Erscheinungsbild und die Schichtqualitäten dieser sehr unterschiedlichen Farben konzentrierte.
Konstanten
Bestimmte Aspekte eines Pigments werden als konstant angesehen, wie das Molekulargewicht, der Brechungsindex, die Dichte und die chemische Zusammensetzung. Nur sehr wenig von dem, was wir als Farbenhersteller oder Künstler tun, wird irgendetwas an diesen Größen ändern. Eines jedoch, an das wir fast immer denken, wenn wir uns auf ein bestimmtes Pigment beziehen, ist – seine Farbe. Also stellt sich schlicht nur eine Frage: Warum? Warum sehen einige der Muster, für die dasselbe Pigment verwendet wurde, so unterschiedlich aus? Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, teilt sich unsere Tafel mit zwei Pigmenten in sechs verschiedenen Bindemitteln grob in zwei Gruppierungen mit sehr unterschiedlichem Erscheinungsbild auf. Die eine Gruppe, in der die Farben heller und deckender sind und eine höhere Sättigung aufweisen, bilden Aquarellfarbe, Kasein und Eitempera, besonders mit Ultramarinblau. Bei den anderen Bindemitteln (Acryl, Enkaustik und Öl) werden die Farben tiefer, röter und insbesondere Ultramarinblau wird deutlich durchscheinender.
Man würde üblicherweise annehmen, dass der Brechungsindex (BI) der Bindemittel daran schuld ist, doch auch wenn dieser manchmal zu einem entscheidenden Faktor werden kann, stützen die Daten in diesem Fall diese übliche Theorie einfach nicht. Es gibt eindeutig keine ausreichende Variationsbreite für diese deutlichen Unterschiede (Tabelle 1i).
Pigment-Volumen-Konzentration (PVK)
Wenn man nach anderen Möglichkeiten für die Hauptursache sucht als nur nach dem Brechungsindex, besteht eine aussichtsreichere Alternative darin, dass die Veränderungen durch Unterschiede in der Pigment-Volumen-Konzentration (PVK) begünstigt werden, die als das Verhältnis des Pigmentvolumens dividiert durch das gemeinsame Volumen von Pigment und Bindemittel definiert ist:
PVK = Pigmentvolumen / (Pigmentvolumen + Bindemittelvolumen)
Dies stellt den Prozentsatz des Pigments in der Farbschicht dar, nachdem alles vollständig getrocknet ist, und ist das, woran die meisten Menschen denken, wenn von „Pigmentladung“ die Rede ist. Und tatsächlich, wenn man sich die Farben ansieht, die hergestellt wurden, spiegelt sich die Trennung, die wir im visuellen Erscheinungsbild von Kasein, Aquarellfarbe und Eitempera im Vergleich zu Öl, Acryl und Enkaustik feststellen konnten, ganz klar im steilen Anstieg des Prozentsatzes des Pigments in jeder der getrockneten Schichten wider (Tabelle 2).
Kritische Pigment-Volumen-Konzentration (KPVK)
Mit der Veränderung des Verhältnisses von Bindemittel und Pigment erreicht man einen idealen Punkt, an dem das Pigment seine maximale Ladung erreicht und nach wie vor alle Zwischenräume zwischen den Partikeln vollständig mit Bindemittel gefüllt sind. Dieser ideale Punkt nennt sich kritische Pigment-Volumen-Konzentration oder KPVK. Jedes Farbsystem ist unterschiedlich, die KPVK bewegt sich jedoch in der Regel irgendwo zwischen 30 und 60 %. Wenn man sich an diesem Kontinuum (Abbildung 2) entlang über den KPVK hinausbewegt, gelangt man in Richtung einer Farbschicht mit einer zunehmenden Anzahl von Leerstellen, was wiederum zu einer matteren, durchlässigeren und zunehmend fragilen Farbschicht führt.
Betrachtet man sich diese Stufen mehr wie ein Diagramm, könnte man, wenn man in den jeweiligen Stufen in eine Farbschicht blicken würde, etwas feststellen, das dem folgenden Kontrast zwischen einem Ausgangspunkt von trockenem Pigment allein, einer Farbschicht mit KPVK und einer Farbschicht weit oberhalb dieses Niveaus ähnelt (Abbildung 3).
Die tatsächliche Oberfläche einer Farbschicht oberhalb der KPVK, mit einem Pigment-Volumen-Verhältnis von 60 %, ist in der folgenden elektronenmikroskopischen Aufnahme eindrucksvoll festgehalten (Abbildung 4).
Mit der Veränderung der Oberflächenstruktur kann sich auch das Erscheinungsbild der Farbe drastisch verändern, wie in den oben gezeigten, stark unterschiedlichen Mustern.
Wenn sich Farben in oder unterhalb der KPVK befinden, streuen ihre glatten Oberflächen weniger Licht, so dass mehr davon hindurchdringen und vom Pigment absorbiert werden kann. Dadurch mutet die Farbe gesättigter und tiefer im Wert an und erscheint üblicherweise transparenter, da der Unterschied im Brechungsindex zwischen Pigment und Bindemittel weitaus geringer ist als zwischen Pigment und Luft. Eine glattere, glänzende Oberfläche reflektiert außerdem Licht auf geregeltere, kontrolliertere Weise weg vom Betrachter. Man mag zwar gelegentlich einen Glanzpunkt oder eine blendende Stelle erahnen, doch man sieht so gut wie nie die Art diffuser Streuung, die mit matten Oberflächen verbunden ist (Abbildung 5).
Wenn eine Farbschicht über die KPVK ansteigt, wird sie zunehmend matt und strukturiert bis, wenn man weit genug geht, die Pigmente nicht mehr ausreichend gebunden sind und nur teilweise vom Bindemittel zusammengehalten oder umhüllt werden. An diesem Punkt streut das Pigment das Licht in einem weitaus größeren Ausmaß, da der Unterschied zwischen dem Brechungsindex des Pigments und dem der Umgebungsluft sehr viel größer ist. Darüber hinaus streut die rauere Oberfläche das Licht in einem weitaus zufälligeren Muster, und dieser Schleier weißen, diffusen Lichts scheint mit der Farbe des Pigments zu verschmelzen, wodurch es im Vergleich heller und häufig kreidig oder ausgewaschen erscheint. (Abbildung 6).
Schließlich wirkt sich die Anzahl der Leerstellen oder Lufteinschlüsse innerhalb der Farbe auf die allgemeine Streuung aus, da diese zusätzliches Licht brechen, das unter die Oberfläche dringt, wodurch die Farbe ziemlich deckend erscheint. Der interne Lichtschleier verhält sich dabei wie eine Art innerer Nebel, der jede Möglichkeit blockiert, die Fläche darunter zu sehen.
Robert Feller, eine wichtige Persönlichkeit auf dem Gebiet der Konservierungswissenschaften, hat 1981 zufälligerweise viele dieser Veränderungen im Erscheinungsbild illustriert, indem er den Reflexionsgrad der Oberfläche von Ultramarinblau mit immer weiter zunehmendem PVK gemessen hat. Die Messungen wurden bei 440 nm abgelesen, der Wellenlänge des maximalen Reflexionsgrades, wenn dieses Pigment vollständig von einem Bindemittel umschlossen ist (Abbildung 7).
Abbildung 7: Prozent des Reflexionsgrades von Ultramarinblau bei verschiedenen Pigment-Volumen-Konzentrationen. ©American Institute for Conservation of Historic and Artistic Works (AIC). iiWie man sieht, kommt es bei einem Pigment-Volumen-Verhältnis von über 40 % zu einem plötzlichen und ziemlich drastischen Anstieg der Lichtmenge, die durch die Oberfläche reflektiert wird, und zwar von bloßen 10 % zu annähernd 60 %, wenn ein PVK von 80 % erreicht ist. Wenn man sich nun die Kurven des spektralen Reflexionsgrades unserer sechs Muster von Ultramarinblau ansieht, stellt man einen ähnlichen Aufwärtstrend an der 440-nm-Marke fest. Hier schneiden die drei Farben mit PVKs zwischen 14 und 46 % (Öl, Acryl und Enkaustik) tatsächlich ein wenig oberhalb eines Reflexionsgrads von 10 % ab, während die drei Systeme mit PVKs zwischen 76 und 81 % (Aquarell, Eitempera und Kasein) einen Reflexionsgrad von 50 % oder mehr erreichen (Abbildung 8).
Während Kobaltblau ganz klar ein anderes Pigment mit einem deutlich anderen spektralen Reflexionsgrad und Brechungsindex ist, lässt sich dennoch ein ähnliches Muster erkennen, wenn auch nicht ganz so drastisch (Abbildung 9).
Es bestehen kaum Zweifel daran, dass die Pigment-Volumen-Konzentration das endgültige Erscheinungsbild einer Farbe beeinflusst, doch es gibt auch andere Unterschiede, die betrachtet werden müssen und die leicht übersehen werden können. Zu diesem Zweck haben wir uns in unserer Studie mit drei Farben beschäftigt – Kasein, Acryl und Öl – und uns die Auswirkungen ihrer verschiedenen PVK-Verhältnisse genauer angesehen, insbesondere angesichts ihrer sehr unterschiedlichen Zusammensetzung.
Kobaltblau
Wenn man sich die PVK-Verhältnisse getrockneter Farbschichten von Kobaltblau in Acryl, Öl und Kasein ansieht, erhält man das folgende Diagramm, das die relativen Mengen von Pigment und Bindemittel für jedes System darstellt (Abbildung 10).
In dieser Ansicht erscheinen Acryl und Öl nicht übermäßig unterschiedlich, selbst wenn die PVK von Öl um 8 % höher liegt. Im Vergleich zu Kasein jedoch, das eine unglaublich hohe Pigmentladung von 72 % hat, verblasst der Unterschied. Konzentriert man sich aber nur auf diese Zahlen allein, kann das in Bezug auf die Systeme als Ganzes etwas irreführend sein. Daher müssen wir die eine große Komponente wieder hinzufügen, die hier fehlt – nämlich das Wasser, das sowohl in Acryl als auch in Kasein enthalten ist –, ohne dabei zu vergessen, dass Öle naturgemäß Systeme sind, die zu 100 % aus Feststoffen bestehen und aus denen nichts verdunstet. Dies führt zu einem deutlich anderen Bild (Abbildung 11).
Dieser Vergleich sieht ganz anders aus und weist auf wichtige Fragen hin, die von den größeren, einfacheren PVK-Verhältnissen verdeckt werden, wenn man diese isoliert betrachtet. Auf einmal lässt sich feststellen, dass Acryl und Kasein ähnliche Prozentsätze von Pigment im Vergleich zu ihren Gesamtsystemen enthalten (10 %), und weil Wasser in ihrer Zusammensetzung erforderlich ist, ist es praktisch unmöglich, dass sie jemals die Pigmentladung von 28 % von Kobaltblau wie in Ölfarben erreichen. Daher die sehr reale und häufige Wahrnehmung, dass Ölfarben eine Dichte besitzen, die einzigartig und unerreicht ist und die nicht nur direkt zu den Eigenschaften von Öl und Pigment führt, wenn diese gemeinsam vermahlen werden, und dem Umstand, dass Ölmoleküle überaus klein und sehr effizient beim Durchfeuchten von Pigmenten sind, sondern auch zu der schlichten Tatsache, dass nichts verdunstet oder die Farbschicht verlässt. Acrylfarben und andere wasserbasierte Medien hingegen haben immer damit zu kämpfen, dass sie einen hohen Prozentsatz an Wasser in ihrer Zusammensetzung unterbringen müssen. Selbst wenn das endgültige Verhältnis von Pigment und Bindemittel sehr ähnlich ist, wie bei Kobaltblau in Acryl- und Ölfarben, bleibt daher die tatsächliche Erfahrung der Farbe in nassem Zustand die von etwas mit weitaus geringerer Pigmentladung und Dichte.
In Abbildung 12 besteht die einzige Veränderung in der Entfernung von Wasser und illustriert somit die Pigment-Volumen-Verhältnisse nach dem Trocknen. Wenn wir im Hinblick darauf, wie einfache Verhältnisse manchmal andere Beziehungen verdecken können, weiter ins Detail gehen, können wir feststellen, wie die originalen PVK-Prozentsätze auch weiterhin ihre Gültigkeit behalten. Die anfänglichen 10 % Pigment in Acrylfarbe stellen 20 % der endgültigen getrockneten Farbschicht dar, während bei Kasein aufgrund der gerundeten Zahlen (damit der Graph einfacher zu lesen ist) das Verhältnis von 10/13 eher auf 77 % anstatt auf die gewünschten 72 % hinausläuft, die berichtet wurden. Es ist jedoch immer noch in etwa korrekt. Außerdem ist der vergleichsweise geringe Prozentsatz von Bindemittel zu beachten, der im Kasein zurückbleibt, ganz zu schweigen davon, wie viel dünner die resultierende Farbschicht aufgrund des extrem hohen Prozentsatzes von Wasser zu Beginn ist. Insgesamt spricht das für eine Farbschicht, die zwar außerordentlich matt und deckend ist, aber auch äußerst spröde und porös und sich daher nur für starre Untergründe eignet. Acrylfarben hingegen sind bei Weitem das flexibelste der drei Systeme und verfügen über einen ausreichend hohen Anteil an ausreichend starkem Bindemittel, dass sie bis zu einem Verhältnis von 1:1 mit Wasser reduziert werden können und immer noch eine haltbare Farbschicht mit guter Haftung erzeugen, während die Klarheit des Acrylbindemittels dem Kobaltblau ermöglicht, seine Sättigung und Klarheit auch noch weit in die Zukunft hinein beizubehalten. Ölfarben müssen dagegen ständig damit fertigwerden, dass sie ein Bindemittel haben, das im Laufe der Zeit vergilben kann, und die 72 % Öl in dieser Farbe weisen darauf hin, warum so viele Hersteller Kobalt und andere Blautöne in Färberdistelöl oder Mohnöl vermahlen, obwohl diese Öle schwächere und fragilere Farbschichten bilden – ein Kompromiss, mit dem man vorsichtig sein muss.
i Ein kurzer Hinweis, der bezüglich der Frage nach dem Brechungsindex von Kasein und Eigelb ebenfalls angebracht ist. Während „The Science of Painting“ (Mayer, Taft, 2000) diesen als 1,338 angibt, ähnlich den Quellen, die den Brechungsindex von in Wasser aufgelöster Milch oder aufgelöstem Kasein angeben, verzeichnen die meisten kommerziellen Bezugsquellen einen Brechungsindex von trockenem oder pulverförmigem Kasein zwischen 1,54 und 1,67. Wir haben uns hier für letzteren Wert entschieden. Eine ähnliche Diskrepanz findet sich in Bezug auf Eigelb. In „Light: Its Interaction with Art and Antiquities” (Brill, 1980) ist eine Zahl von 1,353 angegeben, ein häufiger Wert in vielen kommerziellen Berichten zu Eibestandteilen in flüssiger Form, während Alan Phenix, Conservation Scientist am Getty Museum, in seinem Artikel „The Composition and Chemistry of Eggs and Egg Tempera” für getrocknetes Eigelb einen Brechungsindex von 1,525 angibt, für den wir uns wiederum entschieden haben. Dieser Unterschied ergibt sich, da sowohl Eigelb als auch Kasein in ihrem natürlichen Zustand komplexe Emulsionen sind, bei denen ein hoher Wasseranteil eine große Rolle spielt und dazu führt, dass der Brechungsindex weitaus geringer erscheinen kann, als er wird, sobald alles verdunstet ist und eine feste Schicht gebildet hat. Da wir diesen getrockneten Zustand untersuchen, der letztlich unsere Wahrnehmung der Farbmuster bestimmt, sind wir der Ansicht, dass die angegebenen Brechungsindizes für getrocknetes Eigelb und pulverförmiges Kasein zutreffender sind.
ii Feller, Robert L., Abbildung 3, prozentualer Reflexionsgrad im Vergleich zur Pigment-Volumen-Konzentration, Ultramarin UB-6917 in Dammar, in „The Effect of Pigment Volume Concentration on the Lightness or Darkness of Porous Paints.” Vordrucke von Vorträgen auf der Neunten Jährlichen Konferenz, Philadelphia, PA, 27.–31. Mai 1981. Washington, DC: American Institute for Conservation of Historic and Artistic Works (AIC), 1981, S. 66–74)
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